(Friedrich Schiller)
Schon seit dem Beginn ihrer Existenz haben Menschen gerne zur Zerstreuung und zum freundschaftlichen Kräftemessen ein gutes Spiel bevorzugt und in vielen völlig unterschiedlichen Kulturen finden sich dabei ebenso viele verschiedene Spielarten. Das älteste bekannte Brettspiel stammt beispielsweise aus der Zeit um 3000 v. Chr. und auch Schach und Dame haben sehr weit zurückreichende Wurzeln ... Heute ist der Sinn des Spiels – nämlich eine gemütliche und gemeinschaftliche Zusammenkunft von Gleichgesinnten – leider zunehmend in den Hintergrund getreten. Das Hobby Spiel weicht oft schnelleren und kurzlebigeren Freizeitbeschäftigungen, bei denen meist die einzelne Person und nicht mehr das Erlebnis in der Gruppe im Vordergrund steht.
Ebenfalls eine uralte Beschäftigung des Menschen ist es, seine Fantasie schweifen zu lassen, so zum Beispiel früher durch die farbenfrohen Berichte von Geschichtenerzählern oder später – ermöglicht durch die Verbreitung der Buchdruckkunst – durch das Lesen, was es auch weniger wohlhabenden Personen erlaubte, die in den Büchern abgedruckten Buchstaben in ihrem Geist in imaginäre Bilder zu verwandeln. Heute gibt es nun eine unüberschaubare Zahl von Büchern und trotz einer Medienflut fasziniert uns das geschriebene Wort immer noch. Vielleicht gerade deshalb, weil es die ureigene Fantasie der einzelnen Person nicht in eine feste Schablone drängt, sondern es ihr vielmehr erlaubt, sich selbst „ein Bild zu machen“. Ein Bild, das nach wie vor lediglich im Geiste des Lesers entsteht ...
Und wer hat nicht schon davon geträumt, einmal die fantastischen Abenteuer eines der Helden der großen Weltliteratur wie Robinson Crusoe oder Sherlock Holmes selbst zu erleben?
Gerade in der heutigen Zeit treten dabei zunehmend neue Perspektiven in den Vordergrund: Fantasy und Science-Fiction haben in den letzten Jahrzehnten einen unglaublichen Aufstieg erlebt, ermöglicht unter anderem auch durch den endlich verfilmten Klassiker des Genres: „Der Herr der Ringe“ von J. R. R. Tolkien. Viele würden aber auch gerne – wie in diversen Fernsehserien und -filmen unzählige Male gesehen – mit Mr. Spock auf der Suche nach unerforschten Galaxien durch den Weltraum reisen, auf den Spuren von Hercule Poirot wandeln und scheinbar unlösbare kriminalistische Rätsel aufklären oder als tollkühner Abenteurer im Stile von Indiana Jones am Amazonas nach verlorenen Schätzen jagen ... Leider aber verdrängen viele Menschen ihre eigene Fantasie und lassen sich nur allzu schnell vom allgegenwärtigen Alltagstrott gefangen nehmen. Dabei gibt es seit einigen Jahrzehnten eine relativ neue Spielform, die auf unnachahmliche Art und Weise die uralte Idee des Spiels mit den fiktiven Abenteuern aus Büchern und Filmen verbindet.
Dieses kommunikative, innovative und sich dabei immer wieder selbst neu erfindende Hobby nennt sich „Rollenspiel“!
(Plato)
RollenspielerInnen erleben dabei nicht nur den Reiz des Spiels in einer kleinen Gemeinschaft, sondern gestalten durch ihre Kommunikation und Fantasie wirklich ganze Welten selbst – lediglich durch ihre Freude am Spiel. Das klingt zwar sehr kompliziert und scheint nur schwer nachvollziehbar, ist es zum Glück aber nicht! Denn Rollenspiel ist lediglich eine konsequente Weiterführung des Spielgedankens in eine neue Dimension, da alle SpielerInnen gemeinsam eine erdachte Geschichte in einer imaginären Umgebung erleben und durch ihre Aktionen – ganz anders als in einem Buch oder Film – Ausgang und Verlauf dieser Geschichte entscheidend beeinflussen können.
Eine fantastische Reise durch das unermessliche Weltall? Im Rollenspiel kein Problem!
Durch verwunschene Wälder streifen, auf der Suche nach den geheimnisvollen Elfen? Im Rollenspiel kein Problem!
Oder bei einem schauerlichen Kriminalfall ermitteln, in dem ein wahnsinniger Serienmörder sein Unwesen treibt? Im Rollenspiel kein Problem!
Was ist das eigentlich?
Diese Frage stellt sich ja fast zwangsläufig diejenige Person, die zum ersten Mal mit dieser faszinierenden Art von Spiel konfrontiert wird. Und trotz aller gut gemeinten Erklärungsversuche entsteht dann oft der Eindruck, es handle sich um eine Art von Theateraufführung, was aber vielen langjährigen RollenspielerInnen nur ein kleines Lächeln entlockt. Immerhin ganz so falsch ist diese Auslegung eigentlich gar nicht: Rollenspiel ist im Grunde „Theater“ im Geiste eines jeden einzelnen Teilnehmers! Nur braucht man dazu weder eine Bühne, noch Requisiten oder Kostüme – sondern einfach nur ein wenig Fantasie und Spaß am Spiel. Die Spielerinnen und Spieler erschaffen und leiten fiktive Figuren – meistens als „Charaktere“ bezeichnet – durch eine ebenso fiktive Welt und erleben dabei immer wieder ganz neue Herausforderungen und unendlich viele spannende Abenteuer. Allein der Spielleiter weiß dabei, wie die Handlung aufgebaut ist und die SpielerInnen erfahren durch ihre gemeinsamen Aktionen erst nach und nach mehr von dem, was sie erwartet. Vergleichbar ist dies vielleicht mit einer Geschichte in einem Buch, deren Verlauf aber nicht wie üblich vom Autor starr festgelegt ist, sondern von deren Akteuren – in diesem Fall also den SpielerInnen – ständig direkt beeinflusst werden kann.
Ein kurzes Beispiel: „Vor dir schlängelt sich die Straße – die nur wenig mehr als ein Trampelpfad ist – den bewaldeten Hügel hinauf, wo du über dem Blätterdach bereits die Mauern einer prächtigen und scheinbar ziemlich großen, mittelalterlichen Stadt erkennen kannst. Fahnen und Banner flattern auf den Zinnen und das Blinken von Rüstungen und Waffen zeigt dir, dass die Wehrgänge mit Soldaten und Rittern bemannt sind. Um dich herum erschallt Vogelgezwitscher aus dem Wald, verstummt dann aber urplötzlich und eine unheimliche, seltsame Stille breitet sich aus, die dir die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Etwas ist bei dir im Wald – ganz nahe... Plötzlich ertönt das Bersten von Zweigen und aus dem dichten Unterholz neben dir stürzt ..!“
Hast du diese Beschreibung, nur ins Leben gerufen durch deine Fantasie, vor deinem geistigen Auge gesehen? Na also!
Dies und nichts anderes ist der Stoff, aus dem Rollenspiele gemacht sind ...
Dabei ist es erst einmal völlig egal, vor welchem Hintergrund ein solches Rollenspiel stattfindet: Von spannenden Abenteuern in einer Fantasy-Welt, epischen Questen durch ferne Galaxien oder düsteren Szenarios aus den Welten des Horror-Genres ist alles möglich. Allein durch die Fantasie der SpielerInnen und einigen wenigen Spielregeln.
(Oliver Wendell Holmes)
Gerade das Live-Rollenspiel hat in Deutschland vor allem in den letzten Jahren einen enormen Zuwachs an SpielerInnen gefunden. Im Prinzip läuft eine solche Veranstaltung ähnlich ab wie ein Rollenspiel in geselliger Runde am Tisch, allerdings schlüpfen die SpielerInnen hier im wahrsten Sinne des Wortes in ihre Charaktere hinein. Dies bedeutet, sie legen eine völlig andere Gewandung oder sogar Rüstung an – wie man sie z. B. aus Fantasy-Filmen wie „Der Herr der Ringe“ oder Serienerfolgen wie „Game of Thrones“ kennt – und versuchen gemeinsam, eine von der Spielleitung gestellte Aufgabe, also ein echtes Abenteuer, zu lösen. Diese Veranstaltungen finden meist auf Burganlagen oder schön gelegenen Zeltplätzen statt und finden immer mehr enthusiastische und spielfreudige Anhänger in allen Altersgruppen ...
Auch hier steht das Miteinander und die Kommunikation ganz klar im Vordergrund und damit wirken diese Veranstaltungen direkt der Vereinsamung junger Menschen vor dem Computer und in den dort anzutreffenden virtuellen Welten entgegen ... Alle diese Spiele zu fördern und eigene Spiele zu entwickeln, das hat sich die SpieleSchmiede nun schon seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht.